Gendergerechte Stadtentwicklung
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Seit über 75 Jahren ist in unserer Verfassung, Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes, ganz selbstverständlich formuliert, was im Jahr 1949 mitnichten selbstverständlich war: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Im Rahmen der Weltfrauentage am 8. März wird jährlich für kurze Zeit die Aufmerksamkeit der politischen Debatte auf Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit gelenkt
Auch in der Stadtentwicklung rückt das Thema Geschlechtergerechtigkeit immer mehr in den Fokus. Es geht darum, die Gleichstellung von Frauen und Männern zum Beispiel im öffentlichen Raum nicht nur zu diskutieren, sondern aktiv umzusetzen. Wie sieht der Straßen- und Stadtraum unserer Städte oftmals noch aus? Die vierspurige Straße mit dem schmalen Fußweg daneben, auf dem wegen abgestellter Autos kein Durchkommen mehr ist – weder mit dem Rollstuhl noch dem Kinderwagen. Für diejenigen, die zu Fuß gehen möchten oder müssen, ist dieser Stadtraum nicht geplant und gebaut. Eine tägliche Herausforderung, die vor allem Personen erleben, die einen Großteil der Sorgearbeit leisten.
Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) hat das Ziel, lebenswerte und hochwertige Räume zu schaffen, die für alle Menschen zugänglich sind. Bislang eher vernachlässigte Perspektiven sollen gesehen, diskutiert und eingebracht werden. Das sind häufig Anforderungen von Frauen, aber auch von Älteren, sorgenden Personen und Kindern.
Es soll an einer Stadt gearbeitet werden, die fürsorglich und solidarisch ist und die gemeinsam mit verschiedenen Gruppen, auch solchen, die oft benachteiligt sind, gestaltet wird. In dieser Stadt stehen soziale und ökologische Verantwortung im Vordergrund. Wenn alle Menschen gleichberechtigt Zugang zu Ressourcen, Räumen und Mitbestimmung haben, ist viel für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung erreicht. Daher gibt es in der Stadtentwicklung einen klaren Handlungsbedarf.
Grundlage einer modernen Stadtentwicklungspolitik und strategischer Kompass in Deutschland wie in anderen europäischen Ländern und im internationalen Kontext ist die Neue Leipzig-Charta von 2020.2 Diese nennt drei Dimensionen: die gerechte, die grüne und die produktive Stadt. Die "gerechte Stadt" zielt auf die Entwicklung einer „Stadt für alle“ ab. Hierzu muss zukünftig u. a. ein stärkerer Blick auf eine gendergerechte Planung gelegt werden. Das sogenannte Gender Planning ist ein wichtiges Instrument, um nicht nur die Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen, sondern um allen Menschen eine gleichberechtigte Mitwirkung zu ermöglichen.
Leitlinie für gendergerechte Stadtentwicklungspolitik
Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) hat gemeinsam mit einem Expertinnen-Beirat Leitlinien für eine gendergerechte Stadtentwicklungspolitik entwickelt. Diese Leitlinien für eine faire, inklusive und sorgende Stadt wurden im Rahmen einer Fach- und Netzwerkveranstaltung im Vorfeld des Weltfrauentages am 6. März 2025 in Berlin vorgestellt.
Des Weiteren untersucht eine Forschungsstudie von BMWSB und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (BBSR), wie eine gendergerechte Stadtentwicklung in der Praxis gefördert und gestärkt werden kann. Die Leitlinien sollen sich zur Weiterentwicklung der fach- und gleichstellungspolitischen Ansätze an das eigene stadtentwicklungspolitische Handeln des BMWSB richten.