Gleichwertige Lebensverhältnisse und ländliche Räume
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Jeder Mensch in Deutschland soll dort gut leben können, wo er leben möchte.
Der Abbau regionaler Disparitäten und die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse sind zentrale Aufgaben der Raumordnung und bilden die Grundlage für eine ausgewogene Entwicklung in Deutschland.
Politischer Auftrag und Ziele der Bundesregierung
Gleichwertige Lebensverhältnisse bildet die Grundlage für das Vertrauen in unsere Demokratie, ein funktionierendes Miteinander und den Zusammenhalt in unserem Land. Gute Lebens- und Arbeitsbedingungen, eine intakte Umwelt, funktionierende Rahmenbedingungen und ein soziales Miteinander vor Ort sind entscheidend für Teilhabe und Zugehörigkeit.
Der politische Auftrag der Bundesregierung ist klar: Durch eine aktive Struktur- und Regionalpolitik sollen gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands ermöglicht werden. Im Fokus stehen eine ausgewogene Lebensqualität in städtischen und ländlichen Räumen sowie die Stärkung strukturschwacher Regionen.
Eine besondere Stärke Deutschlands ist die historisch gewachsene dezentrale Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur. Ziel ist es daher, diese dezentrale Struktur mit ihrem dichten Netz an Klein- und Mittelstädten sowie Metropolregionen zu erhalten und zu stärken.
Mit der 2019 gebildeten Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" haben Bund, Länder und Kommunen konkrete Handlungsmaßnahmen erarbeitet, die auch über die Legislaturperioden hinaus verfolgt werden. Erstmalig wurde im Juli 2024 ein Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung aufgelegt, der im Ergebnis aufzeigt, dass die Unterschiede zwischen den Regionen bei einer Mehrheit der untersuchten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sonstigen Indikatoren in den vergangenen Jahren abgenommen haben.
Raumordnungspolitik für gleichwertige Lebensverhältnisse und ländliche Räume
Wir befinden uns heute in großen Veränderungsprozessen durch den Klimawandel, den gesellschaftlichen und demografischen Wandel, durch die Digitalisierung in allen Bereichen des Alltages sowie durch eine neue Sicherheitslage, um nur einige zu nennen. All diese Veränderungen haben Auswirkungen auf die Regionen Deutschlands in unterschiedlichen Ausprägungen. Der Klimawandel etwa bedeutet zu wenig Wasser in einer Region und zu viel in einer anderen, Dürre und Hitzeperioden hier, Hochwasser und Starkregenereignisse dort. Die Energiewende bedeutet vor allem für die Regionen, in denen der Abbau und die Verstromung von Kohle ein zentraler Wirtschaftsfaktor war, enorme Veränderungen der Lebenswelten. Entsprechend gibt es kein "eins für alle" Gleichwertigkeitsrezept. Es müssen regional passende Ansätze entwickelt werden. Dies erfolgt nach den Grundsätzen und Leitlinien des Raumordnungsgesetzes durch die Landesplanungen. Das Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse wird in den Landesplänen unterschiedlich konkretisiert. Gemeinsam ist allen der Ansatz der räumlichen Bündelung von Angeboten der Daseinsvorsorge: in kleinen Städten gibt es die Grundversorgung (etwa Supermarkt, Grundschule, Gewerbegebiet), in den größeren auch Fachhandel, weiterführende Schulen, Kulturangebote, ein Krankenhaus – die durch ÖPNV mit dem Umland verbunden und so für alle Menschen in der Region gut erreichbar sind.
Diese "Daseinsvorsorge" zu sichern, ist in solchen ländlichen Räumen schwierig, in denen wenige Menschen leben und sich die Kommunen diese Angebote wirtschaftlich kaum noch leisten können. Der demografische Wandel, der regional ungleich ausgeprägt ist, wird insbesondere in Ostdeutschlands sichtbar. Hier zogen nach der Wende vorwiegend junge Menschen fort und haben so zu hohen Bevölkerungsverlusten in den Kommunen geführt. Inzwischen gewinnen ländliche Räume aufgrund von hohen Wohnkosten in den Ballungsräumen sowie durch digitale Arbeits- und Einkaufmöglichkeiten wieder an Attraktivität. Strukturstärkere ländliche Räume profitieren verstärkt von Zuzügen qualifizierter Menschen aus dem In- und Ausland.
Wie werden strukturschwache und ländliche Räume durch das BMWSB unterstützt?
Die Bundesregierung unterstützt die strukturschwachen ländlichen Räume mit zahlreichen Programmen und Maßnahmen, u.a. mit
- dem Programm Region gestalten, bei dem insbesondere strukturschwache ländliche Regionen bei Vorhaben zur Stärkung einer nachhaltigen und resilienten Entwicklung unterstützt und miteinander vernetzt werden,
- den "Modellvorhaben der Raumordnung" (MORO), in denen innovative Ansätze in der Raumplanung entwickelt und erprobt werden,
- dem Förderprogramm RegioStrat, mit dem Regionen passgenau in ihrer strategischen Regionalentwicklung unterstützt werden,
- den Bund-Länder-Programmen der Städtebauförderung, bei denen 47 % der Finanzmittel in ländliche Räume fließen,
- den Modellprojekten "Smarte Städte und Regionen", bei denen es um digitale Lösungen für eine integrierte Stadt- und Regionalentwicklung geht,
- dem Bundeskongress "Tag der Regionen", auf dem sich jährlich Fachleute der Regionalentwicklung und Raumordnung zu aktuellen Themen und Modellvorhaben mit dem Bund, Ländern und Kommunen austauschen,
- der Handlungsstrategie Leerstandsaktivierung, die in strukturschwachen Regionen dazu beiträgt, Leerstand gezielter zu aktivieren,
- der Veranstaltungsreihe Kommunaldialog „Wohnen in ländlichen Räumen“, bei der Herausforderungen der Daseinsvorsorge vor Ort im direkten Gesprächsaustausch zwischen Kommunen und dem Bund kommuniziert warden,
- der Unterstützung von Initiativen und Netzwerken, z.B. der Kleinstadtakademie oder dem Netzwerk Daseinsvorsorge.
Was sind "Gleichwertige Lebensverhältnisse"?
Gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen Deutschlands bedeutet, dass Menschen in allen Landesteilen die gleichen Entwicklungschancen und Möglichkeiten für gesellschaftliche Teilhabe vorfinden, ob in einer Stadt oder auf dem Land. Eine Reihe von Faktoren der Daseinsvorsorge sind für gute Lebensverhältnisse relevant, z.B. Zugang zu Arbeit, Bildung, Gesundheit sowie die Nahversorgung. Der Deutschlandatlas bildet mit seinen 82 interaktiven Karten die wichtigsten Faktoren bundesweit ab und ermöglicht detaillierte regionale Vergleiche: Deutschlandatlas.
Was sind ländliche Räume?
Ländliche Räume in Deutschland sind vielfältig. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ländliche Räume zu definieren. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) beschreibt sie als solche mit geringer Bevölkerungsdichte (weniger als 150 Einwohner pro Quadratkilometer), in denen mehr als zwei Drittel der Menschen in kleineren Städten (unter 20.000 Einwohner) und Dörfern lebt. Danach leben rund 26 Millionen Menschen oder 32 Prozent der Bevölkerung auf etwa 68 Prozent der Landesfläche in ländlichen Räumen (www.bbsr.bund.de). Es gibt wirtschaftsstarke und weniger starke ländliche Räume. Insbesondere im Südwesten Deutschlands sind große globale Unternehmen ("hidden champions") in ländlichen Räumen ansässig.
Handlungsstrategie Leerstandsaktivierung
Die Handlungsstrategie wurde in einem breiten Konsultationsprozess gemeinsam mit anderen Bundesressorts erarbeitet und hat zum Ziel, leerstehenden Wohnraum wieder nutzbar zu machen. Insbesondere in strukturschwachen ländlichen Regionen mit Schwerpunkt in Ostdeutschland besteht Leerstand. Durch gezielte Förderung und Schaffung von Anreizen für Unternehmen und Privatpersonen unterstützt der Bund die Kommunen dabei, leerstehende Dorf- und Stadtkerne wieder zu attraktiven Wohn- und Arbeitsorten umzugestalten. In der Strategie werden in einem integrierten Ansatz Maßnahmen der Innenentwicklung, der Stärkung gleichwertiger Lebensverhältnisse sowie des Wissenstransfers aufgeführt.
Die Online-Plattform zur Leerstandsaktivierung erreichen Sie hier.
Hier komen Sie zur Broschüre
Kommunaldialog "Wohnen in ländlichen Räumen"
Die BMWSB-Veranstaltungsreihe ermöglicht einen direkten Austausch zwischen kommunalen Akteuren aus Politik und Verwaltung mit unterschiedlichen Bundesministerien, Abgeordneten des Deutschen Bundestages sowie Ländern und Verbänden. Angesprochen werden aktuelle Herausforderungen und Bedarfe von Kommunen in ländlichen Räumen. Themen waren bisher u.a. die Aktivierung von Leerstand, Städtebauförderung, Fachkräftegewinnung, Mobilität oder Daseinsvorsorge. Übergeordnetes Ziel des Kommunaldialogs ist es, die Wohn- und Lebenssituation in ländlichen Räumen zu verbessern.
Gleichwertige Lebensverhältnisse in Europa
Auf europäischer Ebene setzt sich die Territoriale Agenda 2030 für den Abbau regionaler Disparitäten und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ein. Sie definiert dafür zwei übergeordnete Ziele: Ein "gerechtes Europa", das den Menschen an allen Orten Zukunftsperspektiven bietet, und ein "grünes Europa" zum Erhalt der ökologischen Lebensgrundlagen und der Transformation von Städten und Regionen hin zu Klimaneutralität und Resilienz. Eine verbesserte Daseinsvorsorge ist auch Thema in den Grenzregionen, in denen etwa 20 Millionen Menschen in Deutschland leben und wo es darum geht, die Nutzung von Einrichtungen auf beiden Seiten der Grenze zu erleichtern.