MACHT RAUM GEWALT

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Planen und Bauen im National­­sozialismus - Ergebnisse der Unabhängigen Historikerkommission

Die wissenschaftliche Erforschung der nationalsozialistischen Institutionen und ihres Personals ist Teil unserer historischen Verantwortung. Aus diesem Grund beauftragte die damalige Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Barbara Hendricks, im Jahr 2017 eine Unabhängige Historikerkommission (UHK), um die Verstrickungen der für Planen und Bauen zuständigen Institutionen und Personen, die institutionellen und personellen Kontinuitäten und Brüche in beiden deutschen Staaten nach 1949 in den zuständigen Ministerien zu erforschen.

Die Ergebnisse des mehrjährigen Forschungsprojektes liegen nun vor. Sie sind ausführlich in der von der Historikerkommission herausgegebenen vierbändigen Publikation "Planen und Bauen im Nationalsozialismus. Voraussetzungen, Institutionen, Wirkungen" dargestellt. Zudem werden sie im Rahmen der Ausstellung "MACHT RAUM GEWALT Planen und Bauen im Nationalsozialismus" vom 18. April bis zum 16. Juli in den Räumen der Akademie der Künste (AdK) in Berlin am Pariser Platz einer breiten Öffentlichkeit präsentiert.

Die Unabhängige Historikerkommission hat gemeinsam mit den Forscherinnen und Forschern wesentliche Wissenslücken geschlossen. Die Erkenntnisse helfen, die Voraussetzungen, die Funktionsweise und vor allem die Folgen des Nationalsozialismus im Bereich des Planens und Bauens besser zu verstehen. Sie werfen ein Schlaglicht auf die Vorgeschichte unseres demokratischen Gemeinwesens und zeigen, auf welchem Boden rechtsextremes Denken, rechtsextreme Parteien, Rassismus, Antisemitismus und antidemokratische Einstellungen gedeihen. Dieses Wissen ist wichtig, um Demokratiefeinden in der Gegenwart entgegentreten zu können.

Die Unabhängige Historikerkommission

2017 setzte die damalige Bundesbauministerin Barbara Hendricks die Unabhängige Historikerkommission Bauen und Planen im Nationalsozialismus. Voraussetzungen, Institutionen, Wirkung“ ein.

Ihr Auftrag war, die Verstrickung der für Planen und Bauen zuständigen Institutionen und Personen in das Machtsystem und die Verbrechen des nationalsozialistischen Staates zu untersuchen sowie die personellen und ideologischen Kontinuitäten und Brüche zwischen dem der Weimarer Republik und dem Deutschen Reich vor und nach 1933 und den beiden deutschen Staaten nach 1949 zu erforschen.

Der Kommission gehören Prof. Dr. Wolfgang Benz, Prof. Dr. Tilman Harlander, Prof. Dr. Elke Pahl-Weber, Prof. Dr. Wolfram Pyta, Prof. Dr. Adelheid von Saldern, Prof. Dr. Wolfgang Schäche und Prof. Dr. Regina Stephan an. Bis 2020 war zudem Prof. Dr. Werner Durth Mitglied der Kommission und ihr danach zeitweise ein wichtiger Berater.

Aufnahme aus der Ausstellung: Die Mitglieder der Historikerkommission übergeben ihren Bericht der Bundesbauministerin
Quelle: Henning Schacht

Die Mitglieder konzipierten das Forschungsprojekt und begleiteten es fortlaufend. Im Rahmen des mehrjährigen Projekts vergab die UHK 15 Forschungsaufträge, an denen 28 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiteten. Während des gesamten Projekts war es für das Bauministerium selbstverständlich, keinen inhaltlichen Einfluss auf die Arbeit der Historikerkommission und deren Forschungsergebnisse zu nehmen. Die Freiheit der Forschung wurde während der gesamten Zeit stets gewahrt.

Forschungen und Publikationen wurden mit Bundesmitteln aus dem Programm Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) umgesetzt.

Ausstellung MACHT RAUM GEWALT Planen und Bauen im Nationalsozialismus

Die Ausstellung MACHT RAUM GEWALT Planen und Bauen im Nationalsozialismus war vom 19. April bis zum 16. Juli 2023 in den Räumen der Akademie der Künste (AdK) in Berlin zu sehen. Sie beleuchtete das Thema Planen und Bauen während der nationalsozialistischen Herrschaft und untersucht Kontinuitäten und Brüche bis in die Gegenwart. Dabei wurde nicht nur der Zeitraum von 1933 bis 1945 im Deutschen Reich betrachtet, sondern auch die von Deutschland besetzten Gebiete im Osten Europas sowie Querbezüge zu anderen Staaten aufgezeigt.

In sieben Themenbereichen wurden die zentralen Ergebnisse der beauftragten Forscherinnen und Forscher präsentiert, darunter Wohnungs- und Siedlungsbau, Partei- und Staatsarchitektur, Lager, Infrastruktur und planerische Ordnung des Raums, Internationalität, Kontinuitäten im Städtebau und der Architektur in Ost und West nach 1945 sowie die baulichen Hinterlassenschaften der NS-Zeit.

Anhand von 150 Kurzbiografien sowie durch Ausblicke auf das Bauen in Ost und West nach 1945 wurden zudem die vielfältigen personellen, institutionellen und konzeptionellen Zusammenhänge und Kontinuitäten vor und nach 1945 offengelegt.

Zentrale Kernbotschaften der Ausstellung

  • Planen und Bauen durchdrang im Nationalsozialismus alle Lebensbereiche. Sie dienten sowohl der Integration der "Volksgenossen" als auch dem völkisch-rassistischen Ausschluss und der Vernichtung von "Gemeinschaftsfremden".
  • Als prägendes Ergebnis der Dynamik und Radikalisierung des Planens und Bauens im Nationalsozialismus sind weniger die meist nicht verwirklichten Repräsentationsbauten anzusehen als vielmehr Wohnsiedlungen, Verwaltungsbauten, Rüstungskomplexe, Infrastrukturanlagen, Bauruinen, Baracken, Bunker und vor allem die zahllosen Zwangsarbeits- sowie die Konzentrations- und Vernichtungslager.
  • Sehr vielen Baufachleuten und Bauunternehmen muss in allen Bereichen das Planens und Bauens eine Mitverantwortung für die Ausübung von Gewalt und Verbrechen zugeschrieben werden – nicht nur den wenigen bekannten Architekten. Viele Verantwortungsträger konnten nach 1945 ihre Karrieren fortsetzen.
  • Planen und Bauen besitzt auch im Nationalsozialismus eine internationale Perspektive und muss – mit Blick auf Rivalitäten, Einflussnahmen und Demonstrationen vermeintlicher Überlegenheit – entsprechend betrachtet werden.
  • Zur baubezogenen Erinnerung nach 1945 gehören Verdrängungen, Verharmlosungen und Ausblendungen. Ein bewusster und angemessener Umgang mit dem gebauten Erbe des Nationalsozialismus bleibt eine herausfordernde Aufgabe.

Der Ort der Ausstellung ist bewusst gewählt. Das Gebäude der AdK am Pariser Platz 4 war von 1937 bis zu seiner Teilzerstörung 1945 Sitz des "Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt" Berlin, Albert Speer.

Die Ausstellung wird präsentiert in Kooperation mit der Akademie der Künste, Berlin. Kurator der Ausstellung ist Dr. Benedikt Goebel. Er wurde beraten durch Prof. Dr. Harald Bodenschatz und Dr. Angelika Königseder.

Begleitprogramm

Die Ausstellung wurde begleitet mit Symposien, Führungen, Bildungsangeboten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Darüber hinaus hatte die Akademie der Künste ein Veranstaltungsprogramm mit Diskussionsrunden, Konzerten und Lesungen entwickelt. Eine Filmreihe aus Dokumentar- und Künstlerfilmen, entstanden zwischen 1961 bis 2019, wurde während der Laufzeit der Ausstellung täglich gezeigt.

Aufnahme aus der Ausstellung von einem Projekt mit Schülerinnen und Schülern, wie sie ihre Stadt planen würden
Quelle: BMWSB

Katalog zur Ausstellung

Der Katalog "MACHT RAUM GEWALT - Planen und Bauen im Nationalsozialismus" ist in deutscher und in englischer Sprache erschienen. Aktuell ist der Katalog vergriffen.

Publikation

Die vierbändige Publikation "Planen und Bauen im Nationalsozialismus: Voraussetzungen, Institutionen, Wirkungen" ist im Hirmer Verlag, München erschienen:

  • 4 Bände im Schmuckschuber insg. 1320 Seiten
  • 1000 Abbildungen und Pläne in Farbe
  • 22 × 31 cm, gebunden
  • ISBN: 978-3-7774-4114-6
  • 270,00 Euro (D) / 277,60 Euro (A)

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