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Typ: Artikel

Das zentralörtliche System in Deutschland

Zentrale Orte sind ein wichtiges Instrument der Raumordnung. Sie dienen der Zuordnung von vielfältigen Funktionen der Daseinsvorsorge zu einem bestimmten Ort sowie der geordneten Steuerung der sozialen, ökologischen, ökonomischen und siedlungsstrukturellen Entwicklung. Die zugehörigen Regelungsbereiche sind Einzelhandel, Verwaltungsdienstleitungen, Aus- und Weiterbildung, Kultur und Erholung, Arbeitsplätze, Wohnstätten und die Verkehrsinfrastruktur einschließlich der Logistik. Folglich sind an der Umsetzung des im Raumordnungsgesetz definierten Zentrale-Orte-Systems zahlreiche Akteure beteiligt: Kommunen, Regionen, Landesbehörden, Wirtschaft und Gesellschaft. Das unterstreicht die fachübergreifende Koordinierungsaufgabe der Raumordnung. Zentrale Orte sind Schwerpunkte des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens einer Region. Als solche tragen Zentrale Orte nicht unerheblich zur Identifikation der Bevölkerung mit ihrer Heimat und für gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet bei.

Die Zuordnung als "zentraler Ort" hat nicht nur mit der Größe einer Gemeinde zu tun; die zentralen Orte sind für ihr Umland Versorgungs- und Ankerpunkte. Auch eine Gemeinde von kleiner Größe kann z.B. auf Grund der Größe ihres Verflechtungsbereichs ein zentraler Ort sein.

Die Festlegung von Zentralen Orten erfolgt nach Planungsebenen: Ober- und Mittelzentren werden von der Landesplanung in den Landesentwicklungs- bzw. Landesraumordnungsplänen festgelegt. Die Bestimmung der Grundzentren bleibt in der Regel der Regionalplanung vorbehalten. Die Länder handhaben das Instrument unterschiedlich. In Baden-Württemberg, Bayern und Hessen existieren unterhalb der Grund- bzw. Unterzentren noch Kleinzentren. In zwei Flächenländern (Nordrhein-Westfalen und Brandenburg) ist landesplanerisch geregelt, dass die dortigen Gemeinden bzw. deren Zusammenschlüsse in Ämtern generell einen grundzentralen Status haben. Auch sonst haben sich in den einzelnen Bundesländern verschiedene Systeme bzw. Abstufungen herausgebildet, welche etwa Zwischenstufen ("Mittelzentren mit oberzentralen Teilfunktionen") oder Verbünde von zentralen Orten umfassen. Weitere Sonderformen innerhalb der Oberzentren der Länder Berlin, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern sind Metropolen und Regionalzentren bzw. die Regiopole Rostock, die als Kerne von europäischen Metropolregionen bzw. als regionale Zentren innerhalb eines eng mit ihnen verflochtenen ländlichen Umlands bestimmt sind. Damit wird den jeweiligen siedlungsstrukturellen Gegebenheiten und funktionalen Ausprägungen Rechnung getragen.

Die großen Ballungsräume Rhein-Ruhr/-Sieg, Rhein-Main/-Neckar, Stuttgart und München weisen eine hohe Zentrendichte mit einer großen Bevölkerungskonzentration in den Verflechtungsbereichen auf (zentrale Lage), was zwar die absolut hohe Leistungsfähigkeit der betreffenden Kommunen widerspiegelt, allerdings mit einer Überschneidung der Verflechtungsbereiche einhergeht. Die betreffenden, zu Verbünden zusammengeschlossenen Ober- und Mittelzentren (bspw. Oberzentren Reutlingen-Tübingen, Nürnberg-Fürth-Erlangen-Schwabach, Gießen-Wetzlar, im ländlichen Raum Bautzen-Görlitz-Hoyerswerda, Stralsund-Greifswald) unterliegen daher meist einem landesplanerischen Abstimmungs- und Kooperationsgebot. Die Verteilung und Funktionsfähigkeit zentraler Orte ist nicht zuletzt entscheidend für die flächendeckende Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse.

Funktionen zentraler Orte und daraus abgeleitete Aufgaben für Kommunen und sonstige Träger von Infrastrukturen

Mit der funktionalen Zuweisung an die jeweiligen Städte und Gemeinden verbunden ist die Aufgabe der kommunalen Bauleitplanung, die für die zentralörtlichen Funktionen maßgeblichen Flächen zu sichern. Hierfür weisen einige Regionalpläne wie etwa das Regionale Raumordnungsprogramm für die Region Hannover gebietskonkrete Versorgungskerne aus. Neben dem Schutz bestehender Standorte bezieht sich dies auch auf Flächen für Gewerbe und den großflächigen Einzelhandel, welcher in der Regel Ober- und Mittelzentren vorbehalten ist. Nicht zuletzt soll auch die Entwicklung regional bedeutsamer Siedlungsgebiete für die Wohnbevölkerung auf die zentralen Orte konzentriert werden, um die Inanspruchnahme und Auslastung der dortigen Versorgungseinrichtungen zu fördern sowie eine Zersiedlung zu vermeiden. Damit erfüllen zentralörtliche Festlegungen auch eine siedlungsstrukturelle Ordnungsfunktion.

Insgesamt deckt die zentralörtliche Schwerpunktsetzung die überörtliche Versorgungs- und Entwicklungsfunktion der betreffenden Kommunen gleichermaßen ab. Im Gegenzug ist die Siedlungsentwicklung in den sonstigen Gemeinden prinzipiell auf den örtlichen Bedarf beschränkt ("Eigenentwicklung"). Allenfalls ergänzen oder entlasten gesondert ausgewiesene Siedlungsschwerpunkte die zentralen Orte in bestimmten Funktionen wie Wohnen, Gewerbe und Bildung.

Neben den betreffenden Städten und Gemeinden sind die zentralörtlichen Festlegungen auch an weitere öffentliche Aufgabenträger, wie etwa die Schul- oder Krankenhausfachplanung, adressiert. Ein Beispiel für die Orientierung an den Zentrale Orte Konzepten sind die für den Schienenpersonen- bzw. Öffentlichen Nahverkehr zuständigen Zusammenschlüsse in Form von Verkehrsverbünden. Um die notwendige Erreichbarkeit der zentralen Orte aus ihrem Verflechtungsbereich sicherzustellen, bestimmen die genannten Aufgabenträger in den Nahverkehrsplänen eine auf die zentralen Orte ausgerichtete Netzstruktur und zugehörige Bedienungshäufigkeit. Diese ermöglichen auch den Austausch zwischen den zentralen Orten, die sich aufgrund ihrer jeweiligen funktionalen Spezialisierung z. T. gegenseitig ergänzen. Die betreffenden Relationen zwischen den zentralen Orten gleicher und unterschiedlicher Stufe werden in den Landes- und regionalen Raumordnungsplänen häufig als (über)regionale Verbindungsachsen ausgewiesen.

Für private Versorger in Einzelhandel, Gesundheits- und Bankenwesen etc. besteht keine Verpflichtung, ihre Dienste in zentralen Orten anzubieten. Allerdings profitieren sie von Synergieeffekten aus der Nähe zu öffentlichen Angeboten der Daseinsvorsorge. Zudem hängt ihre (zentrale) Standortwahl nicht zuletzt von den Voraussetzungen der Bauleitplanung und der verkehrlichen Erreichbarkeit ab (s.o.).

Weitere Hinweise

Websites der Landesentwicklungsplanungen mit Hinweisen auf die jeweiligen Regionalpläne finden Sie hier. Dort können Sie interaktiv jedes einzelne Bundesland auswählen.

INKAR-Monitor zentrale Orte, abrufbar unter https://www.inkar.de (über "Neue Abfrage" in der Themenliste "Zentrale-Orte-Monitoring" auswählen)

Ausgewählte Studien und Dokumente wie z.B.

  • Entschließung der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) vom 9. März 2016 "Zentrale Orte"
  • Flex, F., Milstein, A., Greiving, S., Gemmeren, C. v., & David, C.-H. (2016). Steuerungswirkung und Handlungsfelder eines modernisierten Zentrale-Orte-Konzepts. In F. Flex, & S. Greiving (Hrsg.), Neuaufstellung des Zentrale-Orte-Konzepts in Nordrhein-Westfalen (S. 20-43). Hannover: Verl. d. ARL
  • Expertenkommission Zentrale Orte und Raumstruktur (ZORa) Ergebnisbericht ––– Mai 2019
  • Raumordnungsbericht 2017 "Daseinsvorsorge sichern"
  • Positionspapier 92 der ARL, 2013: "Anforderungen an ein künftiges Zentrale-Orte-Konzept"