Rede der Bundesministerin Klara Geywitz zur Einbringung des Gesetzentwurfs zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren
Rede 29.11.2023
"Wer digital baut, der baut schneller, und das ist dann auch kostengünstiger!"
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Ort
Deutscher Bundestag
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Rednerin oder Redner
Bundesministerin Klara Geywitz
Es gilt das gesprochene Wort.
Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Beim Thema Ökobilanzierung denkt der eine oder andere: "Das war jetzt bestimmt eine Idee der Grünen", und reagiert gleich reflexartig darauf. Aber in der Tat ist es in diesem Fall nicht so gewesen, sondern wir diskutieren heute einen Bericht, der von der Vorgängerregierung beauftragt wurde.
Ich kann noch einmal daran erinnern: Wirtschaftsminister Peter Altmaier und mein geschätzter Vorgänger, Bauminister Horst Seehofer, haben den Auftrag für eine Ökobilanzierung im Gebäudebereich gegeben, um eine große GEG-Novelle – die Union sagt gerne "Heizungsgesetz" zum GEG – vorzubereiten. Diese große Novelle sollte ein Gebäudeenergiegesetz beinhalten, das erstens technologieoffen und zweitens materialoffen ist; das war den beiden Herren sehr wichtig. Wenn man eine material- und technologieoffene Bauweise möchte, dann braucht man zwingend eine Ökobilanzierung. Davor muss auch niemand Angst haben. Das ist auch keine Vorschrift für schönes oder hässliches Bauen. Das geht zwar quadratisch, muss aber nicht so sein.
Frau Bachmann hat ja ihrer Vorliebe für mittelalterliche deutsche Städte Ausdruck verliehen. In der Tat: Mittelalterliche deutsche Städte sind häufig wunderschön. Viele Menschen aus der ganzen Welt kommen zu uns, um sich genau diese anzusehen – ich freue mich ja immer, wenn Menschen aus anderen Ländern kommen –, aber nicht nur das – ich hoffe, das erschreckt die AfD jetzt nicht –: Die Gebäude in mittelalterlichen deutschen Städten haben auch eine wunderbare Ökobilanz.
Warum haben sie eine wunderbare Ökobilanz?
Erstens. Die Gebäude bestehen schon viele, viele Hundert Jahre, und sie werden genutzt. Das ist natürlich sinnvoll, weil graue Energie in diesen Gebäuden gebunden ist.
Zweitens geht es um die Frage, mit welchen Materialien man sie gebaut hat. Es waren häufig Materialien aus der Umgebung, also regionales Holz, Lehm, Stroh. Wenn wir das heute bilanzieren würden, kämen wir im Ergebnis auf eine sehr, sehr gute Ökobilanz.
Und natürlich hat man damals relativ flächensparend gebaut. Das merkt man, wenn man heutzutage in einem mittelalterlichen Haus unterwegs ist. Es mag zwar unsere heutigen Anforderungen nicht erfüllen, aber unter dem Aspekt der Ökobilanz sind diese von Frau Bachmann so präferierten Häuser wunderbar. Also: Auch die AfD und ihre Leidenschaft für mittelalterliches Bauen sind durch dieses Projekt von Horst Seehofer und Peter Altmaier in keinster Weise gefährdet.
Wir brauchen diesen Ansatz der Ökobilanz. Frau Heil hat gesagt: Der wird natürlich komplex sein. – Wir müssen die Materialien erfassen. Wir müssen den Transportweg erfassen. Und wir müssen eine ehrliche Bilanzierung vornehmen, weil es ansonsten zu einer Benachteiligung von bestimmten Baumaterialien kommt, die wir nicht wollen. Ein Beispiel dafür ist klinkereffizienter und nicht klinkereffizienter Zement. Es darf natürlich nicht so sein, dass jene Produkte benachteiligt sind, die unter großen Anstrengungen entwickelt worden sind, um CO2 zu sparen. Wenn wir in Zukunft CO2-sparendes Bauen honorieren wollen, und zwar unabhängig vom Baumaterial, brauchen wir eine CO2-Bilanzierung. Das ist auch ganz wichtig für eine technologieoffene Steuerung, um im Gebäudebereich möglichst viel CO2 einzusparen.
Das jetzige GEG fokussiert sehr stark auf den Primärenergiebedarf, also auf die Frage: Wie viel Energie brauche ich, um das bestehende Haus zu heizen? Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Viel wichtiger ist die Frage: Wie viel Energie habe ich gebraucht, um dieses Gebäude zu bauen? Ansonsten kommen wir zu gesetzgeberischen Fehlsteuerungen. Nach unserer jetzigen Systematik ist ein Haus, das den EH-55-Standard hat und aus Lehm und Holz gebaut ist, weniger ökologisch als ein Haus, das aus anderen Materialien, etwa Stahl und Zement, gebaut ist, aber EH 40 hat. Es ist ganz offensichtlich für jeden, der sich damit intensiv beschäftigt, dass es sinnvoll ist, eine Ökobilanzierung zu machen, um material- und technologieoffen zu bauen. Das hat auf die Frage der Ästhetik keinerlei Einfluss. Ich möchte nur darauf hinweisen: Je größer ein Haus ist, desto höher ist mutmaßlich auch der Materialverbrauch.
Ganz wichtig ist, dass wir ein System schaffen – da bin ich sehr bei Frau Heil und ihrem Hinweis –, das es den Leuten auf der Baustelle einfach macht, abzuschätzen, wie viel CO2 in den Baumaterialien steckt. Dafür müssen wir eine Standardisierung und eine Zertifizierung der Baumaterialien auf den Weg bringen sowie einen digitalen Gebäuderessourcenpass; denn das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn das System durchgehend digitalisiert ist und wir durchgehend die CO2-Informationen haben.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir es mit einer durchgehenden Digitalisierung und natürlich Erfassung der CO2-Bilanz schaffen, in den nächsten Jahren eine einfache Ökobilanzierung im Baubereich zu erstellen. Das wird vor allen Dingen diejenigen unterstützen, die ein großes Interesse am CO2-sparenden Bauen haben. Das können wir weltweit exportieren. Deswegen sehe ich darin mitnichten ein Gift für den weiteren Bau, sondern die Ökobilanzierung ist ein Geschenk für die Exportfähigkeit der deutschen Baustoffindustrie. Deswegen sollten wir diesen Weg, den Peter Altmaier und Horst Seehofer schon angelegt haben, konsequent parteiübergreifend weitergehen.
Herzlichen Dank.