Rede zur 3. Auflage Nationale Dialogplattform Smart Cities

Typ: Rede , Datum: 20.06.2023

  • Ort

    Ernst-Reuter-Haus in Berlin

  • Rednerin oder Redner

    Parlamentarischer Staatssekretär Sören Bartol

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Mitglieder der Dialogplattform, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

Ich freue mich, Sie zur 12. Sitzung der Nationalen Dialogplattform Smart Cities begrüßen zu dürfen.

Die Nationale Dialogplattform begleitet nun seit acht Jahren den laufenden Diskurs zu den wichtigen Themen der Smart City in der Stadtentwicklung.

Die Dialogplattform Smart Cities soll mit ihrem breiten Teilnehmerkreis eine gesellschaftspolitische Debatte zu den Chancen der Digitalisierung für unsere Städte führen. Ziel ist eine vorausschauende Debatte, abseits des tagespolitischen Geschäfts.

Das Thema der 3. Auflage der Dialogplattform lautet „Beschleunigter Wandel und Resilienz“. Haben wir uns in der Corona-Pandemie noch schwerpunktmäßig mit deren Auswirkungen auf Stadtleben, Stadtgesellschaft und -entwicklung beschäftigt, müssen wir heute feststellen: Die Aufgabe, sich beschleunigtem Wandel und Resilienz zu stellen, hat – aufgrund weiterer Krisen und Herausforderungen – noch mehr an Bedeutung gewonnen. Dazu zählen Dürren, Waldbrände und Unwetterereignisse als Symptome des Klimawandels, die nicht mehr nur in anderen Weltregionen, sondern spätestens seit dem Ahr-Hochwasser im Juli 2021 auch verstärkt bei uns immer wieder auftreten. Zudem sind wir mit anderen menschgemachten Krisen wie dem Krieg in der Ukraine, geopolitischen Spannungen und ihren Folgen konfrontiert.

Wie wir als Menschen und als Gesellschaft mit neuen tagtäglichen Herausforderungen umgehen können, und wie uns die Digitalisierung dabei helfen kann, das haben Sie diskutiert. Als Ergebnis geben Sie uns nun „Leitlinien für die Entwicklung resilienter Städte im digitalen Zeitalter“ – so der Titel Ihrer Abschlusspublikation - mit auf den Weg.

Dafür möchte ich Ihnen im Namen des Ministeriums ganz herzlich danken, denn Sie schauen mit vielfältigen Perspektiven auf städtische Resilienz, bringen unterschiedliche praktische und wissenschaftliche Erfahrungen ein, und ermöglichen uns so einen viel breiteren Blick als wir ihn allein durch Recherche und unsere eigenen Erfahrungen erreichen könnten.
Das hat die Dialogplattform schon in ihren vorherigen Auflagen ausgemacht und auch Ihre neuen Leitlinien zeigen die Vielfalt und Komplexität der kommunalen Aufgaben:

Gespannt haben Sie den Bogen von der vorausschauenden und anpassungsfähigen Stadtentwicklung, dem Einsatz digitaler Technologien zur Begrenzung der Erderwärmung und einem verbesserten Umgang mit ihren Folgen, bis hin zu den Schlüsselfaktoren Informationssicherheit und Datenschutz und den organisatorischen Voraussetzungen einer zielgerichteten und effizienten  Digitalisierung in unseren Kommunen.

Das zeigt mir:
Um den beschleunigten Wandel aktiv mitsteuern zu können, muss sich Vieles in unseren Strukturen beschleunigt wandeln.

Beschleunigter Wandel wird bei uns häufig als Herausforderung, seltener als Chance gesehen. Dabei hat schon der Philosoph Heraklit vor mehr als 2.500 Jahren gesagt: „Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung.“

Unerschütterlicher Optimismus und der Glaube daran, dass die Zukunft besser als die Gegenwart wird, mag in Deutschland in den letzten Jahrzehnten nicht unsere Kernkompetenz gewesen sein. Er kann und sollte es aber wieder werden, denn beschleunigter Wandel wird uns als „das neue Normal“ ganz persönlich und gesellschaftlich langfristig begleiten.

Als für die Stadtentwicklung zuständiges Ministerium haben wir die wichtige Aufgabe, die Stadtentwicklung - die die Zukunft ja bereits im Namen trägt - fit zu machen, damit sie auf steten Wandel flexibel und schnell reagieren kann. Das wiegt besonders mit dem Blick auf Infrastrukturen, deren Funktion unser aller Leben wesentlich prägt und die die Grundlage unseres wirtschaftlichen Wohlstandes sind, besonders schwer. Ihr Bau ist oft langwierig und entsprechend sind sie ihrem Wesen nach eher auf Bestand als auf Veränderung ausgelegt.

Aber gerade weil Wandel auch schnell und krisenhaft geschehen kann, gilt es „vor die Lage zu kommen“ und Veränderung aktiv zu gestalten. Es geht darum, Prozesse für den vorwärts gerichteten Umgang mit Veränderungen – seien sie krisenhaft oder stetig - zu etablieren.

Krisen als Beispiel schneller Veränderung zu betrachten kann dabei sehr hilfreich sein. Hier hat sich der Begriff der Resilienz herausgebildet.

Resiliente Systeme sind in der Lage, auf wandel- und kriseninduzierte Veränderungen angemessen zu reagieren. Wichtige Funktionen bleiben auch im Krisenfall erhalten und die negativen Folgen von Krisen bleiben so gering wie möglich. Solche Systeme lernen aus Krisen und schaffen durch beständigen Wandel mithilfe präventiver Maßnahmen widerstandsfähigere Strukturen. Dabei wiederholen sich im Resilienz-Prozess bestimmte Phasen mit dem Ziel stetiger Verbesserung.

Ein solcher adaptiver Prozess ist wichtig, denn er gibt Orientierung im Umgang mit Ereignissen und ihren Folgen, die wir noch nicht kennen. Genau diese Unsicherheit ist es, die vielen Menschen Angst vor Veränderungen macht, die ohne Einflussmöglichkeit auf ihr Leben einwirken. Und das gilt besonders für die Kernbereiche unserer Lebensführung die Familie und die Arbeit und als Ort: unsere Heimat.

Sie haben uns daher ganz zu Recht in Ihrer ersten Leitlinie eine vorausschauende, adaptive und smarte Stadtentwicklung ins Stammbuch geschrieben. Wenn wir hier aktiv und handlungsfähig sind, stärkt dies das Vertrauen des Einzelnen, in der Gemeinschaft gut geschützt zu sein. Dieses Vertrauen macht die Gesellschaft als Ganzes stark.

Für diesen Prozess und auch für den Umgang mit stetigem Wandel kann uns die Digitalisierung als Werkzeug und Blaupause dienen:

Prozesse neu daraufhin zu denken, wie man in ihnen die Stärken und Vorteile digitaler Datenverarbeitung zur Geltung bringen kann, führt nicht selten zur Vereinfachung und Reduktion auf das Wesentliche. Ein Gewinn vielleicht auch für Verwaltungen in Zeiten des Fachkräftemangels, alternder und schrumpfender Belegschaften?
Wie schnell Digitalisierung Lücken schließen oder Märkte verändern kann, hat uns die Pandemie gezeigt. Dass diese Veränderung zugleich andere Lebensmodelle ermöglicht und helfen kann Büroraum, Energie und Mobilität zu sparen, kann uns als positives Erbe der Pandemie erhalten bleiben.

In anderen Krisenfällen können Cloud-Dienste oder Backup-Rechenzentren digitale Dienstleitungen auch da aufrechterhalten, wo der eigene Serverraum vielleicht überflutet ist oder angegriffen wurde –vorausgesetzt, man hat sich auf solche Fälle vorbereitet. Diese räumliche und zeitliche Flexibilisierung staatlicher Angebote hat viel Potential für Sicherheit im Krisenfall, bessere Auslastung von Ressourcen und zugleich für mehr Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger.

Ihre zweite Leitlinie, digitale Technologien als Wegbereiter zur Erreichung der Klimaziele zu nutzen spiegelt dieses Potential der Digitalisierung für die zentrale Herausforderung unserer Zeit, den Klimaschutz wider. Ich würde allerdings noch weitergehen und sagen, dass dieses Potential bei weitem nicht nur auf den Klimaschutz beschränkt ist. Krisenmanagement und Katastrophenvorsorge können hier ebenso profitieren, wie die Dienstleistungsqualität und -effizienz der Kommunen und die Stadtentwicklung als Ganzes, wenn die räumliche und zeitliche Entkopplung neue Flexibilität in unser Leben bringen und ressourcenschonend Freiräume für die Lebensgestaltung schaffen kann.

Dass es dabei wichtig ist das Vertrauen von Menschen und Institutionen in digitale Dienste zu erhalten, beschreiben Sie in Ihrer dritten Leitlinie, die Informationssicherheit und Datenschutz als wichtige Stützpfeiler sehen.

Das stimmt.  Und gleichzeitig ist Digitalisierung, das konkrete Erarbeiten von Lösungen auch immer noch ein Entwurfs- und Entwicklungsprozess. Nicht jede Lösung funktioniert auf Anhieb - und andere Lösungen, denen einmal großes Potenzial zugesprochen wurde, erweisen sich als fehlerhaft. Das ist normal. Wichtig ist, eine offene Fehlerkultur und der Wille Fehler als Potenzial für die weitere Entwicklung zu nutzen – anstatt ihn als Scheitern zu betrachten.

Um Möglichkeiten und Folgen der Digitalisierung in der Stadtentwicklung zu erkunden, fördert der Bund seit 2019 in drei Staffeln 73 kommunale Modellprojekte Smart Cities.

Insgesamt sind damit 73 Lernbeispiele für die aktive Gestaltung der digitalen Transformation in der Stadtentwicklung ausgewählt. Einige von ihnen sind heute auch hier vertreten. Und auch hier gilt: Ohne offene Fehlerkultur keine Entwicklung.

Andere Methoden aus dem Portfolio der Digitalisierung können für den Umgang mit dem beschleunigten Wandel hilfreich sein: Agile Entwicklungsmethoden schaffen in komplexen Projekten sichtbaren Projektfortschritt für die Beteiligten und ermöglichen, die Weiterentwicklung an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Die Visualisierung von Fragestellungen, Problemen und Lösungswegen hilft, Transparenz herzustellen und bessere Entscheidungen zu treffen.

Bessere Entscheidungen erhält man auch, wenn diese evidenz- und datenbasiert getroffen werden. Die Basis für die Realisierung solcher Vorteile in der Stadtentwicklung müssen wir allerdings selbst schaffen:

Vorhandene Informationen müssen für alle bereitstehen, die daraus für ihre Aufgabe Nutzen ziehen können - ohne fachliche Silos, Befindlichkeiten, Lizenzrisiken oder technische Hürden.

Für solche Fragen werden wir auch gemeinsame Governance-Strukturen brauchen, die Empfehlungen geben oder auch verbindliche Vorgaben für Standards, Dokumentationen, Schnittstellen oder Datenformate machen können. Nur so lässt sich vielfältig schon vorhandenes Wissen effizienter nutzen.

Was für das Teilen von Daten gilt, muss angesichts knapper finanzieller Ressourcen und begrenzter Verfügbarkeit von IT-Fachkräften auch für die Angebote von Dienstleistungen selbst gelten: Gemeinsam handeln, Kräfte bündeln. Arbeits- und Entwicklungsgemeinschaften zu Themen, an denen viele unserer geförderten Projekte arbeiten sind ein Beispiel dafür, aber auch die inner- und interkommunale digitale Zusammenarbeit kann ein solcher Ansatz sein, denn wir brauchen diesen nicht nur in den Modellprojekten, sondern in der gesamten kommunalen Landschaft. Dazu müssen sich die Kommunen auch organisatorisch - intern und in ihren Kooperationen - für eine gemeinsame Digitalisierung aufstellen.

Ihre vierte Leitlinie „Digitale Dienstleistungen im Konzern Kommune ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig gestalten“ adressiert die sehr vielfältigen Fragestellungen rund um diese Aufgabe. Wenn wir das - nicht zuletzt föderal herausfordernde - Governance-Thema lösen, kann das einen Teil der Ressourcenprobleme, die die Digitalisierung aufhalten abmildern.

Was nehmen wir also mit aus Ihren Debatten:
Wenn Stadtpolitik und Stadtverwaltungen im beschleunigten Wandel aktiv gestalten wollen, brauchen sie schnelle Prozesse und Verfahren. Das Methodenwissen der Digitalisierung ist einen Blick wert, wenn Transformationsprozesse unserer Städte und Kommunen beschleunigt werden sollen.

Selbstverwaltung ist richtig und wichtig – Effizienzvorteile realisiert und Ressourcen schont man aber oft besser gemeinsam. Die Koordinierung des gemeinsamen Handelns selbständiger Kommunen auch unter Einbeziehung der Länder und des Bundes, setzt den Willen zur Einigung aller Beteiligten auf ein gemeinsames Handeln voraus.

Teilhabe, Transparenz und gesellschaftlicher Zusammenhalt in unseren Städten profitieren von der Flexibilität der Digitalisierung. Unterschiede in den digitalen Kompetenzen der Menschen müssen dabei berücksichtigt und abgebaut werden.

Durch die Digitalisierung vieler Lebens- und Arbeitsbereiche verändern sich Arbeits- und Lebensformen ebenso wie die Wirtschaft: Global agierende neue Akteure treten in der Plattformökonomie lokal in Erscheinung. Der Online-Handel verändert innerstädtische Zentren und den Stadtverkehr. Die „proximity economy“, eine Wirtschaft lokaler und kurzer Lieferketten, schafft neue räumliche Beziehungen zwischen Konsumenten und Produzenten. All dies muss eine integrierte Stadtentwicklung einbeziehen.

Werden Krisen Alltag, muss Resilienz zum Prozess werden. Bleiben wir „vor der Lage“ und werden wir mit jeder Erfahrung ein Stückchen besser!

Meine Damen und Herren,
Es tut sich aktuell viel in der Welt, das unser Leben ganz unmittelbar beeinflusst. Vermeintlich sicher Geglaubtes steht plötzlich zur Disposition. Das macht Menschen Angst. Es ist an uns allen, für sich individuell und alle gemeinsam diesen Unsicherheiten zu begegnen. Das Leben wird besser, wenn wir die Zukunft aktiv gestalten und den Wandel aktiv steuern. Neue Strukturen und Prozesse werden uns helfen uns fit für den Wandel als Normalzustand zu machen. So werden unsere Städte und Gemeinden auch in bewegten Zeiten ruhende Pole bleiben.

Ich möchte mich bei Ihnen allen ganz herzlich für ihre Arbeit bedanken, die sie in die Nationale Dialogplattform investiert haben. Ihre Ergebnisse sind für uns wichtiger Rat, wie wir die Digitalisierung der Stadtentwicklung gestalten können.

Ich wünsche Ihnen heute einen spannenden Tag bei Ihrem Blick auf die bisherigen Ergebnisse Ihres Tuns und freue mich auf die weiteren Diskussionen, denn wir haben hier einen Weg erfolgreich fortgesetzt, aber sind noch lange nicht am Ziel.