Bau- und Wohnungspolitik der Bundesregierung
Rede 19.05.2022
Grußwort der Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Klara Geywitz anlässlich des Tages der Bauindustrie am 19. Mai 2022
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Ort
Tag der Bauindustrie
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Rednerin oder Redner
Bundesministerin Klara Geywitz
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Hübner,
liebe Mitglieder des Deutschen Bundestages,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
vielen Dank für die Einladung zum heutigen Tag der Bauindustrie!
Diese Bundesregierung hat wieder ein eigenständiges Bauministerium geschaffen, denn das Thema Bauen hat höchste Priorität.
Wer ein Haus bauen will, kann das nicht allein, sondern er braucht viele unterschiedliche Gewerke – vom Maurer bis zum Dachdecker – die Hand in Hand zusammenarbeiten.
Dies ist auch mein Ansatz als Bauministerin.
Als eine meiner ersten Amtshandlungen habe ich daher das "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" mit allen beteiligten Akteuren ins Leben gerufen. Die Bauindustrie hat sich dabei von Anfang an intensiv mit eingebracht. Dafür bin ich sehr dankbar, denn Sie sind hier zweifellos einer der entscheidenden Partner. Deshalb freue ich mich sehr, heute auch hier mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.
Lassen Sie mich daher gleich zu Beginn Eines ganz deutlich sagen:
Mir ist sehr bewusst, wie kompliziert die aktuelle Lage für Sie und Ihre Unternehmen aufgrund der gegenwärtigen Entwicklungen ist. Auch und gerade wegen dieser besonderen Umstände haben wir am 16. Mai einen eigenständigen, ressortübergreifenden Staatssekretärsausschuss einberufen – alle betroffenen Bereiche der Bundesregierung sitzen an einem Tisch. Damit übernehmen wir die Koordinierung aller notwendigen baupolitischen Maßnahmen innerhalb der Bundesregierung. Er wird die Erarbeitung des Maßnahmenpakets im "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" aktiv begleiten, so dass ein gemeinsames strukturiertes Vorgehen gewährleistet ist.
Eine der größten aktuellen Herausforderungen sind sicherlich die Lieferengpässe. Ich weiß, Sie hatten schon infolge der Corona-Pandemie damit zu kämpfen. Nun sind wir alle tief betroffen von dem menschlichen Leid durch den schrecklichen Krieg in der Ukraine. Dieser verschärft zusätzlich die Lieferprobleme bei wichtigen Rohstoffen und führt teils zu massiven Steigerungen der Kosten. So lassen sich beispielsweise nur schwer verlässliche Angebote erstellen oder vereinbarte Preise halten.
Deshalb haben wir gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium einen Erlass herausgegeben, mit dem die Anwendung der Stoffpreisgleitklausel für bestimmte Baustoffe im gesamten Bundesbau einheitlich geregelt wird. Jetzt müssen auch Länder und Kommunen die entsprechenden Regelungen übernehmen, was teilweise bereits geschehen ist. Wir wissen, dass wir damit die Lage nur kurzfristig dämpfen können. Wie wir langfristige Lösungen für alle Betroffenen finden, werden wir gemeinsam mit den beteiligten Akteuren diskutieren. Nicht nur, um für verlässliche Rahmenbedingungen zu sorgen. Sondern auch, um Wertschöpfungsketten und Rohstoffverfügbarkeit neu zu justieren.
Denn eines der wichtigsten, baupolitischen Anliegen der Bundesregierung, das weit über den Tag hinausreicht und auf viele Jahre angelegt ist, allen Bürgerinnen und Bürgern, den dauerhaften Zugang zu bezahlbarem und klimagerechtem Wohnraum zu ermöglichen.
Hierfür brauchen wir eine deutliche bedarfsgerechte und nachhaltige Angebotsausweitung, denn Verknappung führt immer zu Verteuerung. Hierfür hat sich die Koalition auf das Ziel verständigt, dass 400.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, davon 100.000 öffentlich gefördert.
Dies ist eines der Hauptanliegen des eingangs erwähnten "Bündnis bezahlbarer Wohnraum". Bei der Auftaktsitzung im April haben sich alle Bündnis-Mitglieder auf eine gemeinsame Erklärung verständigt, damit wir die anspruchsvollen Ziele im Wohnungsbau schaffen und nicht nur darüber reden. Frei nach Erich Kästner: Es kommt nicht auf Worte an, sondern darauf, dass man etwas tut. Im Rahmen dieses Bündnisses werden wir selbstverständlich auf Erkenntnissen von vorherigen Kommissionen aufbauen. Wir sollten das Rad nicht neu erfinden, sondern auch bereits ausgearbeitete Forderungen umsetzen.
In der Bau- und Wohnungspolitik müssen wir künftig mindestens folgende fünf Schritte parallel angehen:
- Investive Impulse setzen,
- bezahlbares Bauland mobilisieren,
- Innovationen stärken,
- schneller und flexibler werden,
- klimagerecht und ressourcenschonend bauen.
1. Investive Impulse
Investive Impulse setzen Die Bauindustrie und die Wohnungsunternehmen brauchen Planungs- und Investitionssicherheit. Sicherlich entsprach der Förderstopp des KfW-Förderprogramms vor dem 31. Januar 2022 nicht dieser Kategorie. Wir sind gerade gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsminister dabei, die Weiterführung der KfW-Förderprogramme für das kommende Jahr zu konzipieren. Eine neue Förderung soll so angelegt werden, dass sie den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes mit einbezieht. Mit dem Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) werden wir ein Förderinstrument aufsetzen, das klimagerecht und bezahlbar ist. Zugleich sollten Leitplanken beachtet werden:
- Das KfW-Förderprogramm muss einfach, verständlich und leicht umsetzbar sein.
- Das KfW-Förderprogramm muss finanziell unterfüttert werden. Es sollte mehr als 1 Milliarden Euro vorgesehen werden und sich in Richtung der Summe bewegen, die im letzten Jahr für die Förderung vorgesehen war. Denn eines muss uns hier klar sein: Wohnungsbau – gerade im sozialen Bereich – wird in Krisenzeiten nicht über Ordnungsrecht aufrechterhalten. Ordnungsrecht wird nur die Krise noch weiter verschlimmern. Wohnungsbau bedarf gerade in der Krise finanzieller Unterstützung und finanzieller Impulse.
Genauso wichtig ist die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus. Vorgesehen ist hierfür bis zum Jahr 2026 die neue Rekordsumme von insgesamt 14,5 Milliarden Euro.
Das gibt den Ländern Planungssicherheit und leistet einen wesentlichen Beitrag, das weitere Abschmelzen des Sozialwohnungsbestandes zu bremsen und umzukehren.
Für den freifinanzierten Mietwohnungsneubau ist mit der Anhebung der linearen Abschreibung von 2 auf 3 Prozent ein weiterer Investitionsanreiz vorgesehen, den Investoren hilft, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Auch den Erwerb eines Eigenheims wollen wir fördern. Es wird darum gehen, Wohneigentum für Bezieher von mittleren und unteren Einkommen zu fördern. Es umfasst die Förderung von Bestands- und insbesondere Neubauten, die die gesetzlichen Mindeststandards des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) einhalten. In diesem Zusammenhang begrüße ich auch die Initiative des Bundesfinanzministers, u.a. Wohneigentum durch Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer zu unterstützen.
Wir helfen außerdem Haushalten mit geringerem Einkommen mit der Dynamisierung des Wohngeldes und einem einmaligen Heizkostenzuschuss, bis wir die verabredete Reform des Wohngelds – Stichwort Teilwarmmiete – auf den Weg bringen können.
2. Bezahlbares Bauland mobilisieren
Damit ausreichend bezahlbarer Wohnraum entstehen kann, benötigen wir zuallererst ausreichend bezahlbares Bauland und eine langfristig ausgerichtete Bodenpolitik.
Die gute Nachricht ist, dass es in Deutschland genügend Bauland gibt. Es gilt aber, diese Potenziale zu aktivieren und die Instrumente vor Ort konsequent anzuwenden. Zuständig für die Ausweisung von Bauland sind die Gemeinden im Rahmen ihrer Planungshoheit. Der Bund zielt mit den Regelungen im Baulandmobilisierungsgesetz darauf ab, die Gemeinden dabei in ihren Handlungsmöglichkeiten zu stärken. Die Regelungen im Gesetz, die bisher befristet waren, wollen wir künftig entfristen.
Daneben gibt es weitere Potenziale für zusätzlichen Wohnraum, wie beispielsweise durch die Umwidmung von Gewerbeflächen und die Überbauung von Parkplätzen und Supermärkten.
Neubau ist das Eine. Wir müssen aber auch den Bestand an Gebäuden in den Blick nehmen. Nicht zuletzt in Ostdeutschland gibt es teilweise erheblichen Leerstand. Dies müssen wir angehen.
3. Innovationen stärken
Ein weiterer wichtiger Schlüssel sind schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hier haben wir einen Verbündeten - die Digitalisierung. Digitale Methoden, wie zum Beispiel openBIM, können die Produktivität im Bauprozess erhöhen. Dabei kann der gesamte Lebenszyklus von Bauwerken auch viel besser betrachtet werden.
Die Verknüpfung von Planung und Bau wird durch die Nutzung von Building-Information-Modelling (BIM) verbessert. Gerade durch die Nutzung von BIM können Bauzeit, Qualität und Kosteneffizienz optimiert werden.
Die Digitalisierung eines Wirtschaftsbereichs ist zwar grundsätzlich eine Aufgabe der Unternehmen. Zur Unterstützung werden wir aber unsere Initiative BIM Deutschland – Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens fortführen und weiter stärken.
Ein weiterer Hebel zur Steigerung der Effizienz ist das serielle und modulare sowie das typisierte Bauen - insbesondere im Geschosswohnungsbau. Diese Verfahren können für kürzere Produktions- und Bauzeiten sorgen - für sinkende Kosten sowie für weniger Belastungen im Umfeld der Baumaßnahmen.
Mein Ziel ist, zusammen mit den Ländern eine bundesweit einheitliche Typengenehmigung herbeizuführen. Um diesen Ansatz weiter zu verbreiten, müssen die Kapazitäten für die Werksfertigung deutlich ausgebaut werden. Wir müssen im klassischen ökonomischen Sinne Angebot und Nachfrage zusammenzubringen.
Der GdW-Rahmenvertrag war ein erster wichtiger Schritt, um den Markt für das Serielle Bauen im Wohnungsbau zu entwickeln. Dieser muss nun weiter ausgebaut werden. Künftig sollte das serielle und modulare Bauen dem klassischen Bauverfahren ebenbürtig werden.
Digitalisierung und serielles bzw. modulares Bauen stärken auch den vierten der fünf Punkte in der Bau- und Wohnungspolitik, auf die ich mich heute hier konzentrieren möchte:
4. Schneller und flexibler werden
Wir werden uns ebenfalls für eine Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung im Wohnungsbau einsetzen.
Die Genehmigungsprozesse bei Tesla in Brandenburg oder der Errichtung von LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Stade und Brunsbüttel zeigen, dass eine Verfahrensbeschleunigung möglich ist. Das darf nicht die Ausnahme bleiben, sondern muss die Regel werden. Zusammen mit den Ländern müssen wir das auf den Baubereich übertragen. Das heißt für mich: Wir müssen neben den Planungs- auch die Genehmigungsprozesse digitalisieren.
Die digitale Bauakte soll bis Ende des Jahres bundesweit umgesetzt werden. Der Bund unterstützt die für das Bauordnungsrecht zuständigen Länder bei der Einführung des digitalen Bauantrages nach dem "Einer für Alle-Ansatz". Zudem bereiten wir beim Bauplanungsrecht Beschleunigungseffekte durch Änderungen zugunsten der Digitalisierung vor. Auch die Raumordnungsverfahren lassen sich beschleunigen, wenn die Beteiligungsverfahren bei der Planung auf digitalem Weg durchgeführt werden. Eine entsprechende Änderung des Raumordnungsgesetzes haben wir in unserem aktuellen Entwurf zur Neuregelung vorgesehen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den wir uns vor allem auch wegen der Begrenzung der Baukosten anschauen werden, ist die Normensetzung. Hier wollen wir im Rahmen unseres gemeinsamen "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" überprüfen: Was ist sinnvoll, was kann abgeschafft werden? Der oft zitierte Leitspruch auf dem Bau: "Was nicht passt, wird passend gemacht“ hat ja ein sehr wahres Element: Manchmal ist eine Schraube besser als der vorgeschriebene Nagel.
Zudem setzen wir uns für die Einführung von Folgekostenabschätzungen von Normen beim Deutschen Institut für Normung ein. Wir wollen eine Stelle einrichten, die Folgekostenabschätzungen des DIN prüft und insbesondere Fachinformationen zu Wohnungsbaunormen veröffentlicht. Hierzu wurde bereits ein Machbarkeitskonzept erstellt, das derzeit im DIN erprobt wird. Der Bund wird sich fachlich und finanziell beteiligen. Ich habe mich gefreut, dass die Länder auf der Bauministerkonferenz beschlossen haben, das auch zu machen.
Der fünfte und letzte Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist:
5. Klimagerecht und ressourcenschonend bauen!
Sie wissen, der Gebäudesektor steht vor enormen Herausforderungen, was die Klimaziele angeht. Wir müssen die CO2-Emissionen der Gebäude in den nächsten 8 Jahren fast halbieren. Hierfür gilt es, die Energieeffizienz zu stärken und den Einsatz erneuerbarer Energien zu steigern. Wir müssen die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) künftig stärker auf Sanierungen ausrichten - und dabei vor allem dort stärker fördern, wo wir mit dem eingesetzten Geld die größtmögliche CO2-Einsparung erzielen können.
Zu den ersten wichtigen Schritten gehört auch ein entschiedenes Umsteuern bei der Wärmeversorgung der Gebäude. Hierfür braucht es auch eine breite gesellschaftliche Akzeptanz. Das heißt: Diejenigen, die am Ende die Maßnahmen tragen müssen, dürfen finanziell nicht überlastet werden. Das gilt für Eigenheimbesitzer genauso wie für Mieter. Deshalb schaffen wir mit dem vereinbarten Stufenmodell eine faire Aufteilung der Zusatzkosten für den CO2-Preis zwischen Vermietern und Mietern.
Für den Klimaschutz dürfen wir jedoch nicht nur den Betrieb der Gebäude in den Blick nehmen. Vielmehr gilt es, die Treibhausgasemissionen im gesamten Lebenszyklus von Gebäuden zu berücksichtigen. Wir arbeiten daran, dass dies zunehmend zu einer wichtigen Ziel-, Planungs- und Nachweisgröße im Bauwesen wird. Schließlich lassen sich durch die gezielte Auswahl von Bauweisen und Bauprodukten auch die sogenannten grauen Emissionen deutlich beeinflussen.
Wir wollen jedoch nicht vorschreiben, welche Technologie die richtige ist, um die Treibhausgase zu reduzieren. Mit einer materialneutralen und technologieoffenen Formulierung von Anforderungen an die Treibhausgas-Emissionen bleibt die Entscheidungsfreiheit der am Bau Beteiligten erhalten. Und da sich die Technik rasant weiterentwickelt gilt der Spruch: "Das Bessere schlägt das Gute".
Und wir sollten gerade in der Krise pragmatisch handeln. Wir sollten nicht den Fehler begehen und eine Maßnahme wie das 65%-Ziel an Erneuerbaren Energien bei Heizungen durchziehen, wenn alle Praktiker sagen, dass dies aktuell nicht zum 1.1.2024 umsetzbar ist. Es war daher richtig, dass der Koalitionsausschuss ein "möglichst" vor diese Forderung gestellt hat.
Und nicht zuletzt: Auch im Städtebau sind Maßnahmen zum Klimaschutz bzw. zur Anpassung an den Klimawandel von zentraler Bedeutung und sollen künftig im Rahmen der Städtebauförderung bei jeder städtebaulichen Entwicklung verankert werden. Nur so können wie die enormen Transformationserfordernisse, die in den Kommunen bestehen, anpacken. Gutes, bezahlbares Wohnen braucht auch ein zukunftsfestes, gutes Wohnumfeld. Der im Städtebau seit Jahren praktizierte Quartiersansatz ist gerade auch für die energetische Sanierung von Bedeutung!
Zum Schluss noch ein Satz, den zwar Hubertus Heil heute Nachmittag sicher intensiv ausführen wird. Aber es ist mir sehr wichtig, Ihnen auch von meiner Seite deutlich zu sagen: Wir wissen, wie sehr Sie unter dem Fachkräftemangel leiden, und wir werden alles tun, was wir können, um dieses Problem zu bekämpfen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie sehen: Wir sind sehr nah beieinander - bei vielen der aktuellen Herausforderungen, die einige von Ihnen ja gerade in einem neuen 10-Punkte-Papier aufgezeigt haben.
Um die Herausforderungen zu bewältigen, setze ich auf unsere Zusammenarbeit im "Bündnis bezahlbarer Wohnraum", das wir in den kommenden Wochen und Monaten intensiv vorantreiben wollen – gemeinsam mit Ihnen. Denn die Bauindustrie ist für mich nicht nur irgendeine Vereinigung von Wirtschaftsunternehmen. Sie und ihre vielen Mitarbeitenden sind vielmehr das Fundament für den Wohnungs- und Städtebau, der für unsere gesamte Gesellschaft und für Konjunktur eine so entscheidende Bedeutung hat.
In diesem Sinne wünsche ich Ihrer heutigen Veranstaltung viel Erfolg und freue mich auf die weitere, enge Zusammenarbeit.