Bundesbauministerin Klara Geywitz im Interview

Typ: Interview , Datum: 05.04.2023

Interview zum Gesetzentwurf zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes

Rheinische Post

Frau Ministerin, Millionen Menschen zittern vor den Heizungsplänen der Ampel. Mit Recht?

Nein, auch wenn ich die Sorgen verstehen kann. Es wird keine zusätzlichen Ausbaupflichten über das hinaus geben was jetzt schon gesetzlich festgelegt ist. Viele Menschen denken, dass eine Gasheizung die billigste Art ist, zu heizen. Aber momentan stabilisieren wir den Gaspreis noch mit Milliarden. Das wird nicht ewig so bleiben. Der CO2-Preis steigt. Wer also jetzt denkt, er ist besonders sparsam und kauft sich noch schnell eine Gasheizung, der irrt und wird sich in einigen Jahren ärgern.

Das mag alles stimmen. Nichtsdestotrotz ist das neue Gebäudeenergiegesetz ein großer Aufreger. Der Entwurf hat 155 Seiten und ist extrem kompliziert. Wer soll da noch mitkommen?

Ich erkläre es mal so: Wir haben im Autobereich bis auf einige Fans von E-Fuels relativ einmütig den Ansatz, dass man den Verbrennungsmotor durch einen Elektroantrieb ersetzt. Ansonsten ändert sich beim Auto eigentlich nichts. Bei Gebäuden ist es viel komplizierter. Wir haben Gebäude, die stehen unter Denkmalschutz, welche mit unterschiedlichsten Funktionen etwa in Innenstädten; manche werden mit Fernwärme versorgt, oder wir haben Gasetagenheizungen, wo man die Frage beantworten muss, was passiert, wenn eine ausfällt und die anderen funktionieren. Deswegen ist das Gesetz so dick. Wir definieren sozusagen für jedes Haus in Deutschland eine technische und für den Besitzer wirtschaftlich machbare Lösung.

Sie sagen, wirtschaftlich machbar. Vielen droht aber eine erhebliche finanzielle Belastung. Alles in allem neun Milliarden Euro pro Jahr. Das kann nicht jeder stemmen.

Bei der energetischen Sanierung ist es so, dass sie nach mehreren Jahren wirtschaftlich ist. Auch der Gesetzentwurf macht ja deutlich: Am Anfang wird es teurer, doch dann spart man. Ich sehe aber das Problem, dass sich viele erstmal die Investition nicht leisten können. Darüber sprechen wir jetzt in der Koalition. Wir müssen den Menschen den Einstieg in den Ausstieg durch staatliche Unterstützung ermöglichen. Machen wir das nicht und die Leute bauen sich jetzt rasch preiswertere Gasheizungen ein, wäre das teuer und kontraproduktiv.

Wie wollen Sie den fördern? Das möchten die Betroffenen jetzt schnell wissen.

Das verstehe ich und wir werden auch schnell etwas vorlegen. Wir beraten gerade intensiv, wie wir das ausgewogen machen. Auch, um Mitnahmeeffekte bei den Herstellern von bestimmten Techniken zu verhindern. Die Förderung muss technologieoffen sein. Damit die Menschen sich tatsächlich entscheiden für den Ausstieg aus fossiler Verbrennung. Investiere ich in eine neue Wärmepumpe, setzte ich auf Biomasse, also z.B. Holzpellets, oder schließe ich mich zusammen im Dorf und wir machen ein Nahwärmnetz? Das alles muss möglich sein.

Aber es gibt doch zwei Denkschulen in der Regierung - eine Förderung gestaffelt nach Einkommen oder nach Alter und Schmutzgrad der Heizung. Wozu tendieren Sie?

Da müssen wir klug abwägen. Schließlich geht es um riesige Summen. Klar ist: Die ältesten Kessel sind am schmutzigsten. Gleichzeitig sind nach geltender Gesetzeslage viele der alten Konstanttemperaturkessel aus sozialen Gründen von der Stilllegung ausgenommen. Das sind Kessel mit einer konstant hohen Vorlauftemperatur, deren Eigentümer schon vor Februar 2002 in ihr Haus oder ihre Wohnung eingezogen sind. Eine Abwrackprämie für Kessel, die eine schlechte Umweltbilanz haben, finde ich sinnvoll. Ansonsten gilt: Wenn eine Heizung kaputtgeht, kann man nicht erst ein halbes Jahr auf seine Förderung warten, weil man z.B. noch durch eine  Einkommensprüfung muss. Diese und andere knifflige Sachen diskutieren wir gerade.

Schweben ihnen bereits Summen bei einer Abwrackprämie vor?

Summen in den Raum zu stellen, ist kein seriöses Vorgehen. Erst müssen wir uns in der Regierung über Anreizmodelle und Förderungen einigen.

Das klingt nach weiterem Streit mit Finanzminister Lindner.

Wichtig ist, dass die Menschen jetzt schnell Klarheit erhalten. In den nächsten zwei bis drei Wochen muss die Entscheidung gefallen sein, welche Anreizmodelle und Förderungen es geben wird. Wir wollen das Gebäudeenergiegesetz ja im April im Kabinett beschließen. Ich gehe davon aus, dass jeder eine Unterstützung bekommt, der sie braucht, um seine Heizung auszutauschen.

Können Sie erklären, warum Eigentümer über 80 Jahre vom Heizungsaustausch ausgenommen werden, nicht aber 75- oder 70-Jährige?

Geywitz Es gibt für alle Eigentümer die Möglichkeit, sich befreien zu lassen. Wenn es für einen selber nicht wirtschaftlich durchführbar ist oder die Investition nicht in einem sinnvollen Verhältnis steht zum Wert des Hauses. Heizungsinvestitionen sind langfristige Investitionen im Gebäudebereich, die sich häufig erst nach zehn oder zwölf Jahren amortisieren. Da fällt der Nachweis für einen 80-Jährigen relativ einfach, dass Zweifel an der Wirtschaftlichkeit bestehen. Um den Menschen den Antrag zu ersparen, ist diese Grenze für die Havariefälle, also für die Fälle, in denen eine Heizung irreparabel kaputt geht, eingezogen worden.

Für viele 75-Jährige gilt das vermutlich auch.

Auch 79-Jährige oder 75-Jährige können ein Antrag auf Befreiung stellen. Dann wird individuell entschieden.

Mit neuen Heizungen allein ist es nicht getan. Wie stehen Sie zu einer energetischen Sanierungspflicht, die die EU plant?

Von den Plänen des Europaparlaments halte ich nichts. Wir müssen weg vom einzelnen Gebäude, hin zum ganzen Wohnquartier, z.B. einem Dorf oder Stadtteil. Wenn da die Häuser saniert werden, bei denen es wirtschaftlich ist, können einzelne z.B. sehr alte Häuser, Ausnahmen sein. Und trotzdem wird die CO2-Bilanz insgesamt verbessert. Da wollen wir noch mal nachbessern.